Die Sprache der Parteien im Wahlkampf

Dienstag, 12. September 2017 18:22

Bei jeder Wahl präsentieren uns die Parteien ihre jeweils neu entworfenen Wahlslogans, -plakate und -programme. Und das lassen sie sich etwas kosten: Spitzenreiter im aktuellen Bundestagswahlkampf ist die SPD, die ca. 24 Millionen Euro investiert, gefolgt von der CDU/CSU mit 20 Millionen, 6,5 Millionen geben die Linken aus, 5 Millionen die Grünen und 5 Millionen Euro die FDP. Die AfD macht hierzu keine Angaben.


Aber ist das wirklich neu, was uns im Wahljahr 2017 präsentiert wird oder sind es die ewig gleichen, wiederkehrenden Floskeln? Die Sprache des Wahlkampfs zielt ja immer darauf ab, potenzielle Wähler/innen dazu zu bewegen, eine Wahlentscheidung zugunsten der jeweils eigenen Partei zu treffen. Die Wahlslogans haben den Charakter eines Handlungsappells, einer Aufforderung an alle Wahlberechtigten: „Geh zur Wahl und wähle meine Partei!“ Um dieses Ziel zu erreichen, wird im Wahlkampf eine bewusst vereinfachte und polarisierende Sprache verwendet, deren Nähe zur Werbesprache mit ihren leicht verständlichen Botschaften unverkennbar ist. Ganze Parteiprogramme werden auf Schlagworte reduziert.


Dabei werden überwiegend so genannte „Fahnenwörter“ verwendet, das sind langlebige Wörter mit einer hohen Symbolkraft, mit denen die Parteien „Flagge zeigen“ wollen. Während Wörter wie „Flüchtlingswelle“, „Schutzschirm“ oder „Waldsterben“ eine bildliche Vorstellung transportieren, sind Fahnenwörter allgemeine Begriffe ohne einen konkreten Inhalt. Sie sind häufig - auch ideologisch - mehrdeutig und können sehr unterschiedlich verstanden oder interpretiert werden. Gemeinsam ist diesen Ausdrücken allerdings, dass sie alle positiv besetzt sind und deshalb geeignet, ein modernes Konzept für die Zukunft zu versinnbildlichen.


Im diesjährigen Wahlkampf begegnen uns - und das nicht erstmalig - besonders häufig die Schlagwörter „(soziale) Gerechtigkeit“, „Zukunft“ „Sicherheit und Ordnung“, „Integration“ oder „Bildung“. Diese von den Parteien als Leitwörter verwendeten Begriffe haben einen großen Wiedererkennungswert und begleiten uns nachhaltig durch den Wahlkampf; in dessen heißer Phase dann zudem auch bildhaft auf den Wahlplakaten.


Aber es gibt auch das Gegenteil zu den genannten positiven Leitwörtern: die sogenannten „Stigmawörter“. Das sind Begriffe, mit denen Dinge oder Sachverhalte negativ - insbesondere im Wahlkampf auch der politische Konkurrent - bewertet werden. Wörter wie „Lügenpresse“, „Volksverräter“, „Heuchler“ oder „Flüchtlingsschwemme“ verwenden die Rechtspopulisten der AfD in ihrer Wahlkampfsprache. So weist das moralisch begrenzte Weltbild der AfD nicht in eine moderne, neu zu gestaltende Zukunft, sondern in ein Zurück der Abschottung Deutschlands gegen andere (europäische) Staaten und gegen Menschen anderer Herkunft und anderen Glaubens. Dabei schreckt die AfD auch nicht davor zurück, die Bundeskanzlerin als „Verräter“ zu bezeichnen. (Zumindest ihre Weiblichkeit hätte die AfD durch Anfügen der Nachsilbe -in bestätigen können.)


Für den Bundestagswahlkampf haben alle Parteien (außer der AfD) einen neuen Leitsatz formuliert, der ihrem Programm vorangestellt ist:


CDU/CSU: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“

SPD: „Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit“

Bündnis 90/Die Grünen: „Zukunft wird aus Mut gemacht“

FDP: „Denken wir neu“

Linke: „Die Zukunft, für die wir kämpfen“


Mithilfe dieser Leitsätze möchten die Parteien ausdrücken, dass sie das jeweils beste Konzept haben, um das Land zu regieren. Hierbei werden keine Fakten, sondern die Weltanschauung und das moralische Konzept der jeweiligen Partei verkündet. 

Die von den Parteien verwendeten Begriffe „Gerechtigkeit“, „Zukunft“, „Für Deutschland“ oder „neu denken“ sind allgemeine Vorstellungen ohne konkrete Inhalte.


Und wie sieht es mit dem sprachlichen Duktus der Parteien aus?

Während Angela Merkel zum Thema Dieselgipfel äußert: „Die Frage, ob die deutsche Automobilindustrie diese Zeichen der Zeit erkannt hat, wird über ihre Zukunft entscheiden. Und damit über Hunderttausende von Arbeitsplätzen.“ – sagt Kanzlerherausforderer Martin Schulz: „Millionenschwere Manager bei VW, bei Daimler haben die Zukunft verpennt. Die Pendler, kleine Handwerker, Lieferanten sollen die Zeche zahlen.“ Leicht zu erkennen ist hier, dass Schulz gern umgangssprachliche Ausdrücke wie „verpennt“ oder „Zeche zahlen“ schreibt. Auch Sätze wie „Das Volk muss zusammenhalten“ sind von ihm zu hören. Er bedient sich somit der Sprache eines politischen Populismus, um zu zeigen, dass er einer von uns ist. Kanzlerin Merkel dagegen führt einen Wahlkampf, der politisch und sprachlich korrekt sein soll und Konflikten ausweicht, um dem politischen Gegner keine Angriffsfläche zu bieten und ihn auf diese Weise zu demobilisieren. Dies hat zur Folge, dass dem Wahlkampf, vielleicht der Bundespolitik insgesamt, zunehmend die politische Schärfe genommen wird und was auch die Wahlverdrossenheit der Bürger/innen merklich erhöhen kann.


Werfen wir einen Blick auf die Plakate der Parteien: Wie wirksam werden hier Wort und Bild verknüpft? 


Die Plakate der CDU/CSU werden bildlich von den Farben der deutschen Fahne unterstützt; häufig werden die Wörter „stark“ und „stärker“ in den Wahlslogans verwendet: „Denen den Rücken stärken, die für uns stark sind“ – „Europa stärken heißt Deutschland stärken“ – „Deutschland ist stark und soll es bleiben“ – „Gute Arbeit und neue Ideen: So bleibt Deutschland stark“.


Bei der SPD steht die Parteienfarbe Rot im Vordergrund und der aktuelle Leitsatz der Partei wird verkürzt mit unterschiedlichen Schlagwörtern kombiniert: „Arbeit. Zeit für mehr Gerechtigkeit“ – „Familie. Zeit für mehr Gerechtigkeit“ – „Bildung. Zeit für mehr Gerechtigkeit“ usw.; dadurch wird die Botschaft „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ omnipräsent im Wahlkampf der SPD.


Die Plakate der Grünen bieten den gewohnten grünen Blickfang – auch die traditionelle Sonnenblume ist wieder dabei – bei diesem Wahlkampf jedoch kombiniert mit rosa Motiven. Viele der Slogans bedienen sich eines Chiasmus – das ist ein Stilmittel, das eine kreuzweise Gegenüberstellung von zwei gleichen oder ähnlichen Begriffen ist. So in dem Leitsatz „Umwelt ist nicht alles, aber ohne Umwelt ist alles nichts“. Dies ist angelehnt an ein Zitat von Arthur Schopenhauer (1788 - 1860): „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“.  Auch das Motto „Wenn man gleich viel verdient, sollte frau auch gleich viel verdienen“ ist ähnlich gestaltet. Weitere Sprachspiele stecken in den Sätzen: “Entweder Schluss mit Kohle oder Schluss mit Klima“ oder abstrakter „Wer Mut sät, wird Zukunft ernten“, „Integration muss man umsetzen, nicht aussitzen“.


Die Plakatkampagne der FDP ist ausschließlich auf den wie ein Model, häufig nachdenklich posenden FDP-Vorsitzenden Christian Lindner zugeschnitten. Die Schrift ist schlecht zu lesen, da sehr kleinformatig, auch der Parteienname ist kaum erkennbar. Statt der früher dominierenden Farben gelb und blau ist aktuell - wie bei den Grünen - die Farbe Rosa mit dabei. Die Wahlkampfsprache der FDP wird sehr stark von der emotionalen Bildsprache dominiert, die Aussagen auf den Plakaten erscheinen hierbei zweitrangig. 


Die Plakate der Linken sind in den Tönen rot, schwarz und weiß gehalten, im Gegensatz zur FDP sind die Botschaften der Partei in großen Lettern gedruckt. „Keine Lust auf Weiterso: Die Linke“ ist eine einfache Botschaft, die das Vorhandene ablehnt (durchstreicht) und die Partei als neue Alternative dem Wähler schmackhaft machen soll.


Die Plakate der AfD sind unter das Motto: „Trau dich, Deutschland!“ gestellt und überwiegend darauf ausgerichtet, andere zu verunglimpfen. Das Plakat „‚Burkas?‘ Ich steh mehr auf Burgunder“ zeigt drei Frauen im Dirndl mit Weißweingläsern in der Hand. Was soll mit Text und Bild ausgedrückt werden – ist das Dirndl die Alternative für die Burka? Soll Deutschland wieder Tracht tragen?


Mithilfe der auf den Plakaten verwendeten Fotos von Spitzenkandidaten, Familien, Kindern, Menschen in Uniform o. Ä. sollen selbstverständlich positive Gefühle geweckt werden. Hierzu passt eine neue Form des emotionalen Wahlkampfs , die von der CDU in Berlin initiiert wurde, wo sie in einem ehemaligen Berliner Kaufhaus ein Wohlfühlhaus eröffnet hat: Die CDU-Politik soll in einzelnen Räumen erlebbar sein. Das klingt ein bisschen wie Wellnessprogramme für den Wähler.


Wenn wir die Sprache der Parteien nicht nur in ihrer Kurzform von Schlagwörtern und Bildern erfassen wollen, müssen wir einmal in die Programme der Parteien, also hinter die Kulissen ihrer Plakate und Slogans schauen. Wie konkret sind die Zukunftsentwürfe für unser Land dort überhaupt?


Ein Blick in die Wahlprogramme der Parteien zeigt, dass auch hier häufig sprachliche Floskeln eingesetzt werden, die wenig konkret sind. Bei vielen Themen werden ebenfalls Allgemeinplätze verkündet wie „die Infrastruktur verbessern“, „den Verkehr auf die Schiene verlagern“, „die Familien durch zusätzliche Leistungen stärken“ usw. Trotzdem ist es empfehlenswert, diese Parteiprogramme, die alle leicht im Internet zu finden sind, einmal nachzulesen. Je nach Partei finden sich hier deutliche Unterschiede, wie konkret - oder diffus und schwammig - die Ziele und konkreten Maßnahmen benannt werden. Es lohnt sich allemal, hier einmal detaillierter nachzulesen, welche Positionen die Parteien zu den einzelnen Themen formuliert haben. Positiv muss an dieser Stelle auch angemerkt werden, dass die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken auch in leichter Sprache zu finden sind.


Und für alle, die noch nicht wissen, welche Partei sie am 24. September 2017 bei der Bundestagswahl wählen sollen, gibt es noch digitale Wahlhelfer, die zur Entscheidungsfindung beitragen können: https://deinwal.de/home und https://www.bpb.de/politik/wahlen/wahl-o-mat/ sowie http://www.politische-bildung.de/bundestagswahl_2017.html.


In jedem Fall aber: Gehen Sie zur Wahl, denn jede Stimme ist wichtig!